Peter Lehmann Humanistische Antipsychiatrie Texte aus 45 Jahren
Gedruckte Buchausgabe · Kartoniert · 14,8 x 21 x 1,8
cm · 630 gr · € 24.90 · Preis
in sFr · ISBN 978-3-910546-24-0 · sofort lieferbar
PDF E-Book · 1554 KB · € 19.99 · Preis
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Cover im Großformat | Cover-Rückseite | Über den Autor | Inhaltsverzeichnis | Geleitwort von Martin Zinkler | Einführung | Leseprobe | Namenregister | Info-Zettel | Pressemeldung | Rezensionen | Home Über das BuchIm Jahr 2025 feiern Psychiatrie und Politik »50 Jahre Psychiatrie-Enquête« als Jahrhundertreform und preisen die Fortschritte psychiatrischer Behandlung an. Und Peter Lehmann, Deutschlands bekanntester Psychiatriekritiker und »Stachel im Fleisch der etablierten Psychiatrie«, wird 75 Jahre alt. Die interessantesten biographischen sowie praxisorientierten Zeitschriftenartikel, Buchbeiträge und Interviews aus seiner 45-jährigen Schaffensperiode sowie einige neue Texte finden sich in diesem Buch. Es zeigt die dunkle und gefährliche Seite der modernen Psychiatrie und Wege, wie man sich vor ihr schützen bzw. sie verlassen kann. Seine Weltsicht, Haltung und Praxis, von ihm »Humanistische Antipsychiatrie« genannt, unterscheidet sich von der alten, akademisch und patriarchalisch geprägten Antipsychiatrie durch die Wertschätzung der Erfahrungen Psychiatriebetroffener, die Kritik einer männlich dominierten Perspektive und die Mitarbeit am Aufbau menschenrechtsbasierter und humanistisch orientierter Unterstützungsformen für Menschen in emotionalen Notlagen. Für sein Lebensprojekt »Durchsetzung von Menschenrechten und humanistisch orientierter Unterstützung von Menschen mit psychiatrischen Problemen und Diagnosen« wurde er 2010 von der Aristoteles-Universität Thessaloniki als erster Psychiatriebetroffener weltweit für Pionierleistungen im Bereich der humanistischen Antipsychiatrie mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Im Jahr darauf verlieh ihm der deutsche Bundespräsident das Bundesverdienstkreuz. Der Autor enthält sich einer feuilletonistischen Betrachtung der Psychiatrie. Seine Analysen speziell der Wirkungsweise und der unerwünschten Wirkungen von Psychopharmaka gehen in die Tiefe und setzen dabei lediglich ein Erkenntnisinteresse der Leserinnen und Leser voraus, jedoch kein medizinisches oder pharmakologisches Fachwissen. Teil 1: Verstreute biographisch orientierte TexteIm ersten Teil seiner Sammlung verstreuter und teilweise in Mainstream- wie auch in Grassroot-Zeitschriften und -Büchern publizierter Artikel berichtet der Autor von seiner Psychiatriegeschichte und speziell davon, wie er nach dem Ausstieg aus der Psychiatrie im Lauf der Jahre zu einem weltweit bekannten Psychiatriekritiker wurde. Es ist kein Buch der Selbstfindung oder des Bemühens um Verständnis für psychisch Kranke, sondern eine Fundgrube für alle, die sich durch den Werdegang eines Aktivisten vom psychisch chronisch kranken schizophrenen Psychiatriepatienten zum erfolgreichen und geschätzten Experten in Psychiatriefragen inspirieren lassen wollen. Das Buch richtet sich an alle, die unbefriedigende Erfahrungen mit der Psychiatrie und mit Psychopharmaka gemacht haben und Ermutigung suchen. Ebenso an alle, die der Verabreichung von Psychopharmaka und Elektroschocks aus dem Weg gehen wollen.
Alle angesprochenen Themen sind nach wie vor hochaktuell. Teil 2: Verstreute praxisorientierte TexteHier erläutert der Autor das Wesen der humanistischen Antipsychiatrie. Es geht um eine undogmatische und humanistische Weltsicht, Haltung und Praxis, jedoch keine Theorie sozialer Ausgrenzung. Sondern primär geht es um Antworten auf die Frage, wie Menschen in psychischer Not bestmöglich und menschenrechtsbasiert geholfen werden kann bzw. wie sie sich selbst helfen können. Die Texte richten sich an alle, die mit der Psychiatrie oder mit Psychopharmaka in Kontakt kamen oder spätestens im Alten- oder Pflegeheim noch kommen werden: professionell Tätige im psychosozialen Bereich, Angehörige, Betroffene, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen, JuristInnen, JournalistInnen, PolitikerInnen und die interessierte Öffentlichkeit. Die Texte beinhalten
In seiner Absage an den Expertenmonolog ist dieses Buch einzigartig.
Dies begründet sich durch mehrere Faktoren: a) die Komplexität
des bearbeiteten Themenkreises, b) den menschenrechtsbasierten Ansatz,
c) die betroffenenorientierte Enteignung medizinischen Fachwissens über
die Wirkungsweisen und unerwünschten Wirkungen psychiatrischer Psychopharmaka
und Elektroschocks, d) die Einbeziehung der Praxiserfahrungen beim Aufbau
alternativer psychiatrieunabhängiger Initiativen und beim Absetzen
von Psychopharmaka sowie e) die kritische Haltung des Autors, die sich
auch auf den Bereich der Selbsthilfe und Selbstorganisierung von Betroffenen
erstreckt. Geleitwort»Verstreute Texte aus 45 Jahren« untertitelte Peter Lehmann ursprünglich die vorliegende Textsammlung, ein echtes Understatement. Alles ist wohlgeordnet in diesem Band, Lehmann schreibt und spricht immer klar, überlegt, nachdenklich und hat seine Positionen und Argumente im Laufe der Jahre konsequent entwickelt. Zu Recht steht Lehmann heute als der Exponent einer weltweiten Bewegung für eine Unterstützung von Menschen mit psychosozialen Behinderungen, die sich radikal von der tradierten medizinisch-biologischen Psychiatrie abwendet und den Grundsätzen der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet: für eine personenzentrierte und gemeinde- und recovery-orientierte sowie rechtebasierte Unterstützung. Lehmann hat die inzwischen eindeutige Positionierung der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation zur Psychiatrie vorweggenommen und beeinflusst. Für beide Organisationen ist es heute unstrittig, dass psychopharmakologische Behandlungen nur unter informierter Einwilligung erfolgen können, dass es keine stellvertretenden Einwilligungen mehr geben darf, dass Zwangsmaßnahmen abzuschaffen sind und jede Unterstützung dem Willen und den Präferenzen der betreffenden Person entsprechen muss (WHO & OHCHR 2023; WHO 2025). Die deutsche Mainstream-Psychiatrie scheint das nicht wahrhaben zu wollen und fordert mehr Zwang im Hilfssystem, zuletzt mit einem Positionspapier zur Verabreichung von Elektroschocks ohne informierte Zustimmung (DGPPN 2025). Nicht verwunderlich ist es, dass sie damit immer mehr in den Sog einer härteren Innenpolitik gerät, wenn gefragt wird, wie sich Anschläge verhindern ließen (Berndt 2025). Ausführlich diskutiert Lehmann die Renaissance des umstrittenen Elektroschocks. Lehmann scheut dabei keine Kontroversen, weder mit der etablierten Psychiatrie, noch mit anderen Akteuren, seien es Organisationen wie die Deutsche Gesellschaft für soziale Psychiatrie (DGSP) oder auch die Betroffenenverbände. Er erzählt seine persönliche Geschichte und möchte den vielen Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen, Mut machen; das gelingt ihm aber auch bei den sogenannten Fachkräften im Hilfssystem. Meine erste Begegnung mit ihm war im Jahr 1995, er war zu einer Klinikfortbildung in Kaufbeuren eingeladen worden. Sein Vortrag war bestens vorbereitet, mit Quellen hinterlegt, so wie man es von einer guten Fortbildung erwartet, aber selten erhält. Revolutionär war es zu dieser Zeit, dass der Vortragende selbst Betroffener war für mich eine bleibende und Mut machende Erinnerung. Wer das nachprüfen möchte, kann einfach mit dem Kapitel »Neuroleptika und Sexualität Verträgt sich das?« beginnen. Seine persönliche Geschichte zeigt aber auch, wie weit sich die handelnden Ärzte vom hippokratischen Eid entfernt hatten, wenn die Behandlung ihm offensichtlich mehr geschadet als genutzt hat, und wie er als Patient die Patientenrolle hinter sich ließ, beherzt die ärztlich verordneten Neuroleptika absetzte und zum Autor, Wissenschaftler, Verleger und Aktivisten wurde. Die humanistische Antipsychiatrie ist kein modischer Diskurs, sondern eine notwendige Perspektive in einer Zeit, in der psychische Gesundheit zunehmend unter biologistische, ökonomische, individualpsychologische oder Sicherheits-Logiken subsumiert wird. Lehmann stellt mit fundierter Sachkenntnis die zentralen Fragen: Wem dient die psychiatrische Ordnung? Wie kann Menschen in psychischer Not bestmöglich im Sinne ihres Willens und ihrer Präferenzen geholfen werden? Und wie können sie sich geschützt vor psychiatrischer Gewalt selbst helfen? Dieses Buch ist nicht nur ein Plädoyer für ein menschlicheres und demokratischeres Hilfssystem es ist ein Aufruf zum Empowerment, zur Auseinandersetzung und zur Solidarität. Lehmann gelingt es, Erfahrungen von Betroffenen, wissenschaftliche Analysen und politische Forderungen in einen Dialog zu bringen, der provoziert und zugleich inspiriert. Leserinnen und Leser erwartet kein bequemes Buch aber ein notwendiges. Wer bereit ist, gewohnte Sichtweisen zu hinterfragen, wird in diesem Werk einen kraftvollen Beitrag zur Debatte um Zwang, Autonomie und Alternativen im psychosozialen Hilfssystem finden. Dr. Martin Zinkler Quellen
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